Nordseetour - 28.07.2004
Seit knapp einer Stunde on Top in 6500ft. Kurs 310°, 3900 Umdrehungen, 145 km/h. Unter mir eine 2000ft mächtige 6/8 Wolkenschicht, kleine Löcher, Frühstück beendet, alle Anzeigen normal. Die Sicht ist unbeschreiblich also Foto auspacken. Sanft ziehen die Wolken unter der Maschine durch, ein bisschen Grün ist durch die Löcher auszumachen. Die Maschine liegt ruhig in der Luft, keine Thermik, keine Turbulenzen. Ab und zu mit flachen Kurven großen Wolkentürmen ausweichen. Noch 15 Minuten bis zum Sinkflug um den Berliner Luftraum Delta zu unterfliegen. Polster unter den Ellenbogen, Fliegen kann gemütlich sein. Für eine Viertelsekunde setzt das Triebwerk aus und ich bin hellwach. Die Augen rasen über die Instrumente. Keine Anzeichen für ein Problem. Kein Rütteln alles normal. Was war das? Vogelschlag? Das hätte mehr gekracht, große Insekten gibt’s hier oben nicht. Killschaltertest, Propeller etwas flacher, Benzinpumpe ein- kein Resultat. Blick auf die Karte- Notlandeplätze wären da. Das Triebwerk läuft weiter wie ein Uhrwerk. Landung Stendal Borstel- ein Blick unter die Cowling macht nur noch ratloser.
Weiterflug nach Oldenburg- keine Störung, dafür beinahe den Platz nicht gefunden. Irgendwann war mir dann klar, zwei Autobahnen verwechselt zu haben. Landung, Tanken, Blick nach Norden.
Wetter gut, also weiter Richtung Nordsee. Nach 20 Minuten Nordwestkurs tauchen 1000ft unter mir zwei Maschinen der Luftwaffe durch. Kaum bemerkt, sind sie auch schon weg. Die Nordsee kommt in Sicht. Seit fünf Minuten habe ich Juist gerastet- die Frequenz ist total überlastet. Ich schaffe es zunächst nicht, mich anzumelden, irgendwann meldet der Flugleiter 14 Maschinen in Platznähe. Zwei Vollkreise über der Nordsee, endlich setze ich mein Sprüchlein ab und fliege in die Platzrunde ein. Anfliegender Verkehr in der Nordplatzrunde, Schulbetrieb in der Südplatzrunde. Im Final sind noch drei Maschinen vor mir. Blitzsaubere Landung- hinter mir macht eine 172er Streß und ich flüchte aus der Piste.
Abstellen über Nacht wäre kein Problem, der geschäftstüchtige Flugleiter ist keineswegs gestresst und organisiert mir rasch noch ein Hotel. Heute fünf schöne Flugstunden erlebt, Landegebühren moderat, Schäden keine, Sonne noch überm Wasser- auf nach Borkum.
Die Sache mit dem Triebwerksaussetzer ist noch nicht vergessen, also schraube ich mich zunächst auf 3000ft. Als Borkum in Sicht kommt sinke ich mit Leerlauf und dem Gleitweg eines Klaviers in die Platzrunde und lande auf der Grasbahn. Der örtliche Flugleiter hätte besser als Steuermann zu Käptn Blaubär als auf einen Turm gepasst. Die Sonne sinkt, ich muß zurück nach Juist. Ich melde Abflugbereitschaft vom Rollhalt. „Jo denn min Jung: Mach man Laud und lass knattern!“. Zurück in Juist binde ich die Zodiac an und verpasse das letzte Pferdefuhrwerk ins Hotel.
Am nächsten Morgen steht dann die Sonne ganz unten auf der anderen Seite, die Pferde auf der Wiese, die Kutsche noch im Schuppen; also wandere ich wieder durch die Dünen zum Flugplatz. Abflug nach Osten, große Platzrunde im Süden, genau zehn Minuten später setze ich auf Norderney auf. Die Landegebühren lassen sich verhandeln- Schulflug, Lärmzeugnis, ganz kleiner Flieger und außerdem gleich wieder weg und so. Die Insel solle ich mir unbedingt ansehen- will aber nicht- habe aus der Luft genug gesehen. Gleich wieder weg bin ich dann doch nicht weil der linke Reifen etwas platt ist. Der hilfsweise zur Verfügung gestellte Kompressor stammt wahrscheinlich von einem Flugzeugträger und ist doppelt so schwer wie die Zodiac. Ausnahmsweise mache ich mich nun am Boden mit dem nächsten Platz vertraut. Kurze Piste in Baltrum. Kleine Straße vor der Schwelle- also aufgepasst. Zwecks Fotos schraube ich mich auf 3500ft zwischen beiden Inseln. Landeanflug mit voller Klappe und Mindestfahrt ohne Leistung, Abfangen über fluglärmgeschädigten Schafen. Backtrack bereits vor der Halbbahn- sogar der Flugleiter ist ein wenig begeistert.
Zweitkürzeste Landung des Jahres- Orden gibt’s keinen. Lange halte ich es hier nicht aus- weiter nach Langeoog. Hoffnungslos überfüllte Platzrunde. Der Gegenanflug verlängert sich um mindestens 2 Meilen. Eine Dränglermaschine schubst mich aus dem Queranflug, was mich zu einem Holding über dem Leuchtturm zwingt. Um mitzuhalten mache ich den schnellsten Landeanflug meines Lebens. Die Piste ist lang genug und so schwebe ich bis fast zum Ende. Auf dem Taxiway zu den Abstellflächen kommt es zu regelrecht stockendem Verkehr. Auf der Piste setzen pausenlos Maschinen auf. Der nächste Platz ist Wangerooge- und wenn in Langeoog schon viel los war- das hier ist nicht zu überbieten. Am Rollhalt stauen sich mindestens zehn Maschinen- als ich im kurzen Endteil bin gehen zwei noch schnell raus. Gegen Mittag beim Inselschnitzel und Cola bin ich der einzige erkennbare Pilot (Besondere Merkmale: Fliegermütze) im Restaurant. Auf dem Platz kehrt Ruhe ein. Keine Flugbewegung, die Wiese voller Maschinen- wo sind all die Piloten geblieben? Das ist doch ein wenig rätselhaft- ich melde Rollen zum Rollhalt. Die getönte Plexiglashaube verhindert, dass die Umstehenden die Verfärbung meiner Gesichtsfarbe mitbekommen. Ob ich schon mal nachgelesen habe, dass zwischen 10 und 13.00 UTC hier niemand zu fliegen hat. Natürlich nicht, aber einen Versuch ist es ja wert, ein wenig Funkmüll über Lärmzeugnis und fünf Meter Steigen und ganz ganz kleiner Flieger und wirklich gleich nach Südost- der Flugleiter hat Erbarmen und so darf ich raus- „ABER GAAAANZ LEISE!“.
Der Strand ist in 1500ft überflogen, nun nur noch Wasser unterm Rumpf. Das Festland ist schon zu ahnen, aber immer noch weit weg. Und noch fliege ich so schrecklich tief. Zurück zur Insel und dort hochschrauben nach all meinen Versprechungen über ganz leise und gleich weg? Vor mir taucht eine Sandbank auf- und ich kreise über dieser bis 7000ft. Immerhin knapp 10 Meilen könnte ich bei der Geschwindigkeit des geringsten Sinkens noch segeln- zumindest theoretisch. Ich gehe auf Kurs und verlasse diesen wieder, sobald die nächste Sandbank in Sicht kommt. Blick auf die Karte, noch 40 Meilen bis zum Festland. Notfallplan: Ausweichen nach Nordholz falls Probleme auftauchen, und genau in der Mitte ein unbewohntes Inselchen. Nun taucht rechts die Elbemündung auf, 20 Minuten später erreiche ich Schleswig Holstein. Thermik setzt ein, Landung in Glücksburg, Tanken und wieder weg. Sichten unbeschreiblich, Ostsee zu erkennen. Je länger ich nach Nordost fliege, um so deutlicher wird die gesamte Kontur der Küste. Dänemark am Horizont! Der nächste Platz könnte Fehmarn sein, wäre dann der nördlichste meiner Fliegerlaufbahn- ist leider für Ultraleichte nicht zugelassen. Dies war mir aufgrund umfangreicher Vorbereitungsarbeit bereits aufgefallen und hatte zu einem netten Telefonat geführt. Ein paar Minuten vor dem Platz der Einleitungsanruf: „Fehmarn Info, D-MNTH“. Die Antwort gibt Hoffnung: „D-ENTH, Fehmarn hört“. Ich erbitte dringende Sicherheitslandung weil Wespe im Cockpit und setze den Anflug fort. Die Antwort kommt verspätet weil die Bodencrew sich zunächst vor Lachen schüttelt. Nach der Landung halte ich mitten in der Piste, stelle das Triebwerk ab und öffne panisch die Haube um meine insektifizierte Landeerlaubnis auszuboarden.
Am Boden ist es zu heiß, der Strand zu weit weg, und so fliege ich weiter Richtung Rerik. Im Steigflug sehe ich mir die Karte genauer an- Abkürzung direkt über die Ostsee bedeutet halbe Strecke und mehr als 20 NM Flugstrecke über Wasser. Gute Sichten, treues Triebwerk und jede Menge Schiffe auf dem Wasser waren Grund genug, den kurzen Weg zu wählen. Abschiedfotos, Dänemark herangezoomt und dann hoch in die kälteren Luftschichten. Überflug Ostsee, interkontinentaler Endanflug aus FL 90 auf die Piste 08 in Rerik.