Sie befinden sich hier: Rischtische Fliescher / 12. Culumus Nimbus

Culumus Nimbus - 24.07.2003

Die Vorflugkontrolle ergibt einen fehlenden Öldeckel. Ich komme zu dem Schluß, dass dieser schon den ganzen gestrigen Tag fehlen musste. Ich organisiere mir Hilfe, nehme dafür an einem Flugwettbewerb teil. Schlimmstenfalls gewinne ich eine Waschmaschine.

Check, Tanken, Abflug nach Rügen. Ich folge der gestrigen Route entlang der Küste und raste Güttin Info. Gewitter über Rügen? Mittlerweile über dem Darß, hier war gestern Rügen schon auszumachen- heute liegt im Osten Dunst. Ich frage Güttin- das Gewitter löst sich auf, Stralsund ist nicht besetzt. Sehr sehr aufmerksam fliege ich weiter Richtung Osten. Überraschend kommt die Insel in Sicht. Eine durchbrochene Wolkenschicht in 3000ft überfliege ich mit sicheren Bodenreferenzen. Sinken auf 2000ft, Fotos der touristischen Highlights. Überflug Kap Arcona im Messerflug für Beweisfoto. Noch ein bisschen kreuz und quer über die Insel, Anflug Güttin.

Blitzsauberer Flugplatz, leider nur Avgas. Dem Piloten mit der 182er fallen die Augen raus, als ich die Zodiac mit einer Hand am Prop zur Tankstelle ziehe. Gleichberechtigung muß sein: Wenn schon teures AVGAS für den Rotax, dann auch ein Schnitzel für den Aviateur.

Start auf der Asphaltpiste, zurück nach Rerik. Die Sicht ist spektakulär, der Direktflug über Wasser ist beeindruckend. Links liegt Stralsund, Barth bereits in Sicht. Kleine Kumuluswolken unter mir. Landung in Rerik, Blick in die Karte.

Flugvorbereitung war nie Meins, allerdings mache ich mich am Boden mit dem ungefähren Zielgebiet vertraut. Schleswig Holstein, Plätze an der Ostsee, ob Nordsee zu erreichen ist, bleibt abzuwarten. Ich verzichte auf das Berechnen der Flugzeit.

Am Nachmittag starte ich von Rerik auf der 26 und bleibe gleich auf diesem Kurs. Zur Linken Wismar, direkter Überflug der Insel Pöl. In 10 Uhr ist die Sicht diesig. 4000ft sind erreicht, ich steige weiter. Geradeaus der Timmendorfer Strand- noch weit weg. Unter mir Wasser. Links eben diesig. Ich beobachte genauer- verdächtig diesig. Unter der rechten Fläche mischen sich Wasser und Himmel zu einem blassen Blau ohne Horizont. Links beginnt es grau zu werden. Irgendwo dort liegt Lübeck. Und dahinter ist die Sonne mittlerweile im Dunst verschwunden. Mittlerweile ist die 9- 12- Uhr- Position eine sehr sehr graue Wand. Kumulusform ist nicht auszumachen. Allerhöchstens sehr dunkelgraue Flecken. Der letzte Uferstreifen beginnt zu verschwinden. Eine Entscheidung ist notwendig. Blick in die Karte. Die Sicht nach Südwest geht auf vielleicht 5 km zurück. Zurück mit zunächst Süd- und dann Südostkurs nach Wismar oder Rerik? Südkurs unmöglich, alles dicht, das Festland im Westen zu weit entfernt. Leistung zurück, Steigflug beendet. Ich raste Lübeck Turm und erbitte Wetterinformationen. Schweres Gewitter mit Böen um 40kts und Starkregen. Erklärt nun das Schweigen auf der Frequenz. Noch während ich mit dem Controller spreche setzen unvermittelt starker Regen und Böen ein. Unglaublich laut trommelt Regen auf die Plexiglashaube. Schwere Schläge auf das Flugzeug. Ich habe zu tun. Zunächst Fluglage halten. Entscheidung Umkehrkurve. Um dem Wetter zu entfliehen drehe ich intuitiv nach Norden- also über Wasser- ab, die Sicht geht auf Null. Die Heftigkeit der Schläge nimmt zu. Die Blicke rasen über den Horizont, über den Fahrtmesser und zum GPS. Zu schnell, die rechte Fläche hängt zuviel. Ziehen! Zum Erschrecken einfach keine Zeit mehr, alles so lassen, nur Fluglage halten. Ich glaube dem Horizont und lasse die rechte Fläche hängen. Keine Gasänderung, kein Seitenruder. Weiterdrehen. GPS ist einfacher als Kompass, also hier orientieren. Die Kurve ist endlos. Endlich Ostkurs erreicht. Rinnsale im Cockpit, unvermindert trommelt der Regen. Die Turbulenzen werfen alle losen Dinge auf dem Copilotensitz hin und her. Die Schläge auf das Flugzeug übertreffen alles bisher erlebte. Eilig ziehe ich die Polsterung des Co- Sitzes heraus und werfe sie auf die korkenzieherartigen Erdanker um das Schlimmste zu verhindern. Ziehen, Fahrt reduzieren. Wieder Horizont, Fahrtmesser, GPS. Die Böen lassen nach, der Regen nimmt ab. Zu tun habe ich immer noch. In 2 Uhr die erste Bodenreferenz- grünblaue Erde, davor grünblaues Wasser. Ich fliege in einer Dunstschicht. 3500 ft, Steuerkurs 090°. Noch fliege ich über der Ostsee. Wie einfach das Fliegen nach Sicht doch wieder ist. Regen und Böen lassen nach. Leistung setzen, weiter Sinken. Nach 2 Minuten fliege ich in leichtem Nieselregen, die Luft ist ruhig. Karte raus, Frequenz suchen. Anmeldung in Wismar. Der Regen nimmt durch den Südostkurs wieder zu und auch die Böigkeit. Weiter über Wasser ausweichen kommt nicht in Frage. Wismar hat die 26 in Betrieb, Wind 260° mit 6-8kts. Der Blick übers Leitwerk zeigt eine schwarze Wand hinter mir. In wenigen Minuten wird das Gewitter Wismar erreichen und ich muß schneller sein. Der Erdboden wird direkt verschluckt. Der Regen lässt wieder nach, die Luft ist ruhiger. Leistung setzen, schneller sinken, Nadel weit im gelben Bereich, vielleicht noch 5 Minuten bis Wismar. Ich frage erneut nach dem Wind. Piste 26 bedeutet Platzrunde und Zeitverlust von ungefähr 2-3 Minuten. Blick zurück, drohend steht die schwarze Wand. Ich melde langes Endteil Piste 08. Jetzt muß alles schnell gehen. Falls ich es nicht schaffe, die Maschine am Boden zu verankern, wirft das Unwetter sie am Ende um. Der Flugleiter meldet was alle Flugleiter dieser Welt nun melden würden. Piste 26. Und setzt noch eins drauf: „DTH, Wiederholen Sie bitte Piste 26“. Nein, ich will nicht. Und ich werde nicht. „DTH, NEGATIV, habe hinter mir ein Gewitter, Endteil 08, zur Landung.“ Während ich weitersinke, die Landekonfiguration einstelle herrscht- abgesehen von den durch das Gewitter verursachten Knackgeräuschen- Ruhe im Funk. Und das Unglaubliche wird wahr. Möglicherweise hat der Flugleiter nun mal aus dem Fenster geschaut, jedenfalls meldet Wismar: „DTH, Piste 08, Wind aus 280 Grad mit 6-8 kts“. Sinken mit Schleppgas, tiefes Anschweben über der vorgelagerten Wiese- Aufsetzen kurz hinter der Schwelle- die Speed ist mir wohl bewusst. Die Piste ist ausgesprochen gut, so dass die Landung gelingt.

Zwei Minuten nach dem Aufsetzen ist die Zodiac fest verankert- nun war es doch gut, die Anker auf dem Co- Sitz liegen zu haben. Noch beim Festzurren erreicht mich das Unwetter, Böen wirbeln Staub auf. Auf den wenigen Metern zur Flugleitung werde ich vollkommen eingeweicht. Kaffee im Trockenen, sehr bewusst realisiere ich den sicheren Boden unter den Füßen. Von hier unten aus ein ganz normales Sommergewitter was sich nun austobt. Später fliege ich unter tiefhängenden Wolkenfetzen bei 8/8 Bedeckung nach Rerik zurück.